Andacht zu Hebräer 13,11 ff.

Überall in unserem Land fallen in dieser Passionszeit die Gottesdienste aus. Mir fehlen sie. Kirchengebäude mögen vielerorts offen sein, Orte der Stille, die zur Besinnung helfen.
Aber die Gemeinschaft der Glaubenden erlebt man jetzt „im Gotteshaus“ nicht.
Da ist es gut, dass uns der Predigttext dieses Sonntags daran erinnert, wie schon lange vor unserer Zeit Christen darüber nachgedacht haben, was Gottes-Dienst bedeutet.
Er steht im „Brief an die Hebräer“. Damit sind wohl Christen gemeint, die aus dem Judentum stammen, vielleicht sogar erst nach der Zerstörung Jerusalems ausgewandert sind und untereinander und im Gottesdienst noch Hebräisch sprechen (im Gegensatz zu „Juden“, die schon immer hier leben und selbstverständlich die Sprache des Landes sprechen). Die Erinnerung an den Tempel, den heiligen Ort und die Opfer, die dort gebracht wurden, ist bei ihnen noch ganz lebendig. Ihnen schreibt der Verfasser dieses Briefes (Hebr. 13, 11 ff.):

Die Tiere, deren Blut vom Hohepriester zur Sühnung von Sünden ins Heiligtum hineingebracht wird, deren Leiber werden draußen verbrannt, außerhalb des Lagers.
Darum hat auch Jesus, um das Volk durch sein eigenes Blut zu heiligen, außerhalb des Stadttores gelitten. So lasst uns zu ihm hinausgehen, draußen vor das Lager und dort seine Schmach auf uns nehmen.
Denn wir haben hier keine bleibende Heimatstadt, sondern die zukünftige suchen wir.
… Vergesst nicht, Gutes zu tun und Anteil zu nehmen: Das sind die Opfer, die Gott gefallen.

Jesus hat die Trennung zwischen „heilig“ und „weltlich“ aufgehoben, weil er mit seinem Leben, Leiden und Sterben die ganze Welt mit der Liebe Gottes erfüllt hat. Wie er sich den Ausgestoßenen, den „unreinen“ Aussätzigen zuwandte, auch all denen, die wegen ihrer Lebensweise von den Frommen als „Sünder“ geächtet wurden und noch am Kreuz dem verurteilten Verbrecher neben ihm Heil und Hoffnung zuspricht, so gilt auch das Opfer seines Lebens allen, die auf ihn vertrauen. (Joh. 3,16)
In seiner Nachfolge bleiben Christen nicht hinter schützenden Stadtmauern oder in der kuscheligen Umgebung der Gleichdenkenden – auch wenn uns dieser Rückzug öfter nötig ist, um neue Kraft zu schöpfen. Aber der „Gottesdienst des Lebens“ beginnt vor der Kirchentür. Er muss nicht ausfallen und er darf nicht ausfallen in diesen Tagen. Anteil zu nehmen am Ergehen der Anderen (nicht nur unserer Familien und Gemeinde) mag nicht sehr spektakulär sein und kommt sicherlich nicht in die Zeitung, aber es gibt viele einsame Menschen, die auf einen Anruf, einen Brief warten, auf ein gutes Wort über den Zaun, auf ein paar Zeilen zum Nachdenken im Briefkasten oder auf die Frage: „Brauchen Sie etwas?“
Die „zukünftige Stadt“ ist der Ort, wo wir gebraucht werden. Und wir dürfen wissen: Bei unserer Suche ist Christus an unserer Seite.

Ulrich Meisel

Fürwahr, er trug unsre Krankheit, fürwahr, er trug unsre Schmerzen.
Genesen durch seine Wunden, sind wir unversehrt und heil.
Er steht auf zur Seite der Armen, der Kleinen, vertraut mit der Ohnmacht:
der liebende Gott, der liebende Gott.

Eugen Eckert, Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche, Nr. 211, 3